Blutwurz ist die Arzneiplanze des Jahres 2024

 

Blutwurz (Potentilla erecta), auch bekannt als Tormentill, ist nicht unbedingt eine der bekanntesten Heilpflanzen. Doch die medizinische Verwendung der Fingerkräuter reicht bis ins Altertum zurück. Mit ihr wird 2024 zum ersten Mal eine Gerbstoffdroge zur Arzneipflanze des Jahres gekürt.

 

 

Seit Jahrhunderten traditionell genutzt wird der Wurzelstock der Blutwurz. Die Gerbstoffe helfen bei leichten Durchfällen und gegen Entzündungen im Mund- und Rachenraum

 

Hildegard von Bingen hat die Blutwurz Mitte des 12. Jahrhunderts in ihrer Naturkunde unter anderem gegen Fieber empfohlen. Heute stehen die antimikrobiellen und antiviralen Eigenschaften der enthaltenen Gerbstoffe (Tannine) im Fokus der Grundlagen-Forschung. Dieses arzneiliche Potenzial würdigt der Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg mit seiner diesjährigen Wahl.

 

Das Rosengewächs ist eine krautige Pflanze von 10 bis 30 cm und wächst gut auf Wiesen, Heiden und Wäldern mit mäßig saurem Boden. Sie blüht von Mai bis Oktober und bildet im Gegensatz zu anderen Vertretern der Gattung Potentilla eine Blüte nicht mit fünf, sondern mit vier gelben Kronblättern. Der arzneilich angewendete Wurzelstock von mehreren Zentimetern Durchmesser färbt sich an Bruch- und Schnittstellen aufgrund der Oxidation der Gerbstoffe rot. Das erweckt den Eindruck einer Wunde und begründet auch den Trivialnamen der Pflanze.

 

Die Behandlung von Wunden ist auch eines der ältesten bekannten Anwendungsgebiete von Blutwurz. Hieronymus Bock empfiehlt die Pflanze in seinem Kräuterbuch von 1551 außerdem äußerlich bei Nasenbluten, Menstruationsbeschwerden, Augenleiden und Feigwarzen. Innerlich soll sie etwa bei Vergiftungen und Pestilenz (damals alle ansteckenden Krankheiten), bei Fieber, Erbrechen und Durchfall helfen.

 

Blutwurz in der modernen Phytopharmazie

 

In heutiger Zeit hat sich insbesondere die Verwendung bei allen Formen von Durchfall erhalten. Äußerlich steht die phytotherapeutische Behandlung von Entzündungen in der Mund- und Rachenhöhle, Wunden und nässenden Ekzemen im Vordergrund. Laut dem Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) sind die Zubereitungen aus dem Wurzelstock der Blutwurz als traditionelles pflanzliches Arzneimittel innerlich bei unspezifischen, akuten Durchfallerkrankungen und bei leichten Entzündungen im Mund- und Rachenraum anerkannt. Er ist als Extrakt neben Myrrhe, Ratanhiawurzel und ätherischen Ölen in dem Mund- und Rachenspray Repha-Os® enthalten.

 

Die Blutwurz enthält 15 bis 22 Prozent Gerbstoffe (wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe) sowie Flavonoide, Phenolcarbonsäuren und Triterpensäuren. Gerbstoffe haben eine zusammenziehende (adstringierende) Wirkung aufgrund ihrer Interaktion zwischen Tannin und den Proteinen der (Schleim-)Haut. Auch die antibakteriellen und antiviralen Wirkungen der Tannine sollen laut neueren experimentellen Studien damit zusammenhängen.

Der Studienkreis bedauert, dass die Jahrhunderte alten Erfahrungen Gefahr laufen, verloren zu gehen, da keine klinischen Studien mehr durchgeführt werden und die Möglichkeit der Patentierung von Arzneipflanzen oder Zubereitungen daraus nur eingeschränkt möglich ist.